Der fingierte Ausbruch (German Edition) by Klaus Köhler

Der fingierte Ausbruch (German Edition) by Klaus Köhler

Autor:Klaus Köhler [Köhler, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ESCH Verlag
veröffentlicht: 2013-06-30T22:00:00+00:00


»Ich denke, wir laufen sechs Kilometer in der Stunde. Bei 15 Kilometern sind wir in anderthalb Stunden da. Was machst du denn für Stress, Paul?« Er antwortet nicht, legt die Stirn genervt in Falten und läuft los. Wenn es geht, laufen wir im Wald und bleiben gerade noch in Sichtweite der Straße, die laut Karte in den Ort führt. Das Gelände ist flach, aber aufgrund der Entfernung können wir sicher sein, von fahrenden Autos aus nicht gesehen zu werden. Wir nähern uns einem Dorf und müssen einen Haken schlagen. In der Grenzregion ist es nicht ratsam, unnötig durch kleinere Ortschaften zu spazieren. Die Gefahr, von Polizisten aufgegriffen zu werden, ist allgegenwärtig. Könnten wir unsere gefälschten Pässe benutzen, wäre mir wohler. Trotz des Umwegs geht meine Rechnung auf. Kurz nach 14.30 Uhr erreichen wir die Stadt.

»Im Autoatlas ist kein Stadtplan von dem Nest. Also packen wir uns auf die Hauptstraße und schauen, wohin sie führt. Dürfte am unauffälligsten sein«, schlägt Paul vor. Als wir ein ganzes Stück auf der breiten Hauptstraße im Schlenderschritt unterwegs sind, fasst Paul mich plötzlich an der Hand. »Nicht umdrehen, verstanden?« Ich nicke kaum merklich, weiß nicht, was die gezischte Anweisung zu bedeuten hat. Paul zeigt mit dem linken Arm auf die andere Straßenseite. Mein Blick folgt der Richtung. Auf einem kleinen Platz steht ein weißer Obelisk mit Skulpturen, die Kreuze in den Händen tragen. Er zerrt befehlend an meiner Hand, bleibt stehen, schaut zurück nach dem Verkehr. Ein Schritttempo fahrendes Polizeiauto verfolgt uns in drei Meter Entfernung. Es hält an und lässt uns die Straße überqueren. Paul winkt den beiden Polizisten dankend und überfreundlich lächelnd zu, zupft an meiner Hand und läuft gemütlich los. Mit weltmännisch gewölbter Brust bleibt Paul vor der Säule stehen und liest laut, mit theatralisch vorgeschobenem Kopf: »Nepomuki Szent, niiicht umdrehen!« Wir hören, wie das Auto langsam weiterfährt und Paul atmet hörbar aus. »Die verdammten Säcke fahren uns seit fünf Minuten im Schneckentempo hinterher. Aber ich glaube, jetzt haben sie begriffen, dass wir harmlose Urlauber sind, die sich die Stadt ansehen.« Er grinst wie eine Puffmutter. Meine Hände zittern.



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